Deine erste Station
(Umgang mit Schwestern, Patienten, Kollegen, Chefsekretärin)

Jetzt bist Du da angekommen, wo Du immer sein wolltest. Als Stationsarzt auf Deiner eigenen Station! Gut vorbereitet durch das Studium wirst Du feststellen, dass die meisten Herausforderungen gar nicht medizinischer Art sondern zwischenmenschlicher Natur. Denn ob Du es willst oder nicht, Du bist jetzt eine Führungsperson! Natürlich gibt es da noch ein paar Vorgesetzte in Gestalt Deiner erfahreneren Kollegen, aber wenn die nicht da sind, dann bist Du der Arzt auf der Station, den alle fragen werden. Und die erwarten zufriedenstellende Antworten auch wenn Du gerade keine parat hast. Hier will ich Dir mal erklären, wie ich diese Situationen gemeistert habe. Vielleicht hilft es Dir ja oder Du findest Deinen eigenen „Führungsstil“.

Korrigieren
Was ist denn hier wieder los?

1. Richtig führen

Du kommst also frisch von der Uni und weißt noch gar nicht, wie in diesem Haus alles so abläuft? Kein Problem, das lernst Du noch. Nur die Pflegekräfte werden darauf nicht warten wollen und erwarten von Anfang an, dass Du Entscheidungen triffst bzw. treffen kannst, damit der Laden läuft. Gut, wenn Du ein paar verständnisvolle und erfahrene Pflegekräfte hast, die Dir auch mal ein paar Tipps geben, wie die anderen Kollegen das immer so machen. Aber denk daran, das sind nur Vorschläge, die Du annehmen kannst oder nicht. Es wird immer Dein Name als anordnender Arzt darunter stehen, das heißt falls etwas schief läuft, trägst Du die Verantwortung und nicht die Schwester, die Dir diesen Vorschlag gemacht hat.

Was die Pflegekräfte von Dir erwarten, ist vor allem Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit. Du kannst ruhig zugeben, dass Du gerade keine Lösung für ein Problem hast. Ich persönlich habe immer gesagt: „Das kann ich auch gerade nicht entscheiden, aber ich werde mich sofort erkundigen und melde mich dann sofort wieder!“ Und das habe ich dann natürlich auch getan. Die Schwestern müssen sich auf Deine Versprechungen verlassen können, sonst bist Du ganz schnell unten durch!

2. Ihr seid ein Team

Was die gar nicht leiden können, das sind arrogante Ärzte, die jeden Vorschlag der Pflegekräfte abblocken und sich nichts sagen lassen. Dann warten sie nur darauf, dass etwas schief läuft. Denk daran, Ihr seid ein Team, das den Laden gemeinsam schmeißt. Und wenn Du dabei auch immer nett bleibst, heben Dir die Schwestern auch mal ein Mittagessen auf, wenn Du lange im OP gestanden hast. Auf der anderen Seite solltest Du Dir aber auch nicht zu schade sein, irgendwelche Hilfstätigkeiten zu übernehmen, wenn gerade kein anderer sie erledigen kann. Zum Beispiel mal selber das Blut ins Labor bringen, wenn alle Schwestern gerade das Essen austeilen und Du auf die Blutergebnisse angewiesen bist. Die Pflegekräfte werden Dir so auch gerne mal Aufgaben abnehmen, die nicht in ihr Aufgabenfeld fallen. Sonst kann es passieren, dass Dir die Schwestern irgendwann mal sagen: „Das ist aber keine Schwesternarbeit!“, und sich weigern, Dir zu helfen. Da brauchst Du auch gar nicht zu diskutieren. Die Pflegekräfte haben eine dreijährige Ausbildung hinter sich, bei der ihnen genau gezeigt wurde, was „Schwesternarbeit“ ist. Und wenn Du wissen willst, was denn „Ärztearbeit“ ist, dann ist die Antwort ganz einfach: „Alles, was nicht Schwesternarbeit ist!“ Und das kann eine ganze Menge sein...

3. Richtig korrigieren!

Früher oder später kommt der Moment, an dem auf der Station etwas schief gelaufen ist, und Du weißt auch schon ganz genau, welcher Kollege dafür verantwortlich ist. Du könntest jetzt

natürlich einmal kräftig auf den Tisch hauen, aber davon wird es wahrscheinlich nicht besser werden. Erinnere Dich lieber daran, wie verständnisvoll die Schwestern mit Dir umgegangen sind und versuche ebenso zu handeln.

Ich habe mich da immer eines kleinen Tricks bedient, denn niemand möchte gerne korrigiert werden. Insbesondere, wenn Du auch sonst nie Lob ausgesprochen hast. Ich habe immer versucht, etwas Positives herauszustellen, bevor ich den Fehler angesprochen habe. Ungefähr so: „Ich fand es übrigens klasse, wie Du heute bei Herrn Meier den Verbandswechsel gemacht hast. Wirklich gut! Aber schau Dir bitte noch mal den Ernährungsplan für Herrn Müller an. Das Sauerkraut, das Du ihm gegeben hast, passt da gar nicht rein!“ So erreichst Du erst die Aufmerksamkeit des Ansprechpartners, weil Du ihm schmeichelst und außerdem macht es nicht den Anschein, dass Du immer nur meckern würdest. Aber loben kannst Du ruhig öfter mal. Du weißt ja, wie sehr es auch Dich motiviert, gute Arbeit zu leisten.

4. Bleib Loyal

Manchmal kann es auf einer Station wie im Kindergarten zugehen. Insbesondere dann, wenn sich ein Patient und eine Pflegekraft nicht verstehen. Bei so einem Streit ist ganz klar, wo Du stehst: Auf der Seite der Schwester natürlich! Falle also Deinem Teammitglied nicht in den Rücken. Zumindest nicht vor dem Patienten! Im persönlichen Gespräch kannst Du dann ja immer noch mit den Pflegekräften klären, wer hier das Problem verursacht hat und überlegen, wie man es beseitigen kann ohne dabei „die Pflege“ bloß zu stellen.

5. Die zweitwichtigste Person in der Klinik

Die wichtigste Person in der Klinik ist zweifelsfrei der Chefarzt. Dicht gefolgt von seiner Sekretärin! Sie hält mehr Fäden in der Hand, als Du denkst, und deshalb solltest Du es Dir nicht mit Ihr verscherzen. Wenn Sie Deine Aussprache beim Diktat des OP-Berichts oder Deine Sauklaue auf dem Notfallbehandlungszettel bemängelt, dann gelobe Besserung. Sicherlich wird Sie dann auch mal ein gutes Wort für Dich beim Chefarzt einlegen. Oder den Oberarzt darauf hinweisen, dass Du schon lange nicht mehr auf dem OP-Plan als Operateur standest. Wenn Sie auf Deiner Seite ist, wird vieles einfacher!

Bleib tapfer!

Dein Dr. Felix Findig