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Die gute Assistenz im OP

Die Arbeit im OP macht mir immer großen Spaß. Es gibt keinen anderen Ort, wo Teamarbeit so gelebt wird wie hier. Und wenn alles gut gegangen ist, dann ist die Freude im Team doppelt so groß und jeder einzelne weiß, dass er etwas geleistet hat. Wenn man sich nur vorstellt, wie sich häufig über 10 Menschen um nur einen einzigen Menschen kümmern, um ihm zu helfen, dann hat das schon etwas von Berufung.

OP-Tisch
Noch ist genug Platz! Wo wirst Du wohl stehen?

Doch wenn so viele Leute zusammen arbeiten, dann muss jeder auch viele (ungeschriebene) Gesetze einhalten, damit man im Team zu seinem Ziel kommt. Bei meinen ersten Einsätzen im OP hat mich imer beeindruckt, wie sich alle fast wortlos verstanden haben und Hand in Hand gearbeitet haben. Und so soll auch der Idealzustand im OP aussehen: Es gibt keine hektischen Bewegungen, da diese Staub und Keime aufwühlen könnten, und geredet wird nur das absolute Minimum, um (trotz Mundschutz) so wenig Keime aus dem Nasen-Rachen-Raum wie möglich "auszustoßen".

Ein paar Grundregeln habe ich ja bereits hier erläutert und wenn Du noch nie im OP warst, dann lies sie Dir besser durch, bevor Du weiter liest. Das ist dann sozusagen die Pflicht, bevor ich Dir hier die Kür der guten Mitarbeit im OP erkläre.

Die wichtigste Voraussetzung für jede gute Assistenz ist aber immer, dass alle das Ziel kennen. Das heißt für Dich, Du solltest Dich vorher informieren, was und wer eigentlich woran und warum operiert werden soll!

Dann kommen die üblichen Vorbereitungen, die unabdingbare Voraussetzung für das Gelingen der Operation sind. Der Patient wird gelagert, das Team desinfiziert sich die Hände und Unterarme und wird mit sterilen Kitteln eingekleidet. Bevor Du nun an den Tisch trittst stellt sich die Frage, welche Funktion Du eigentlich haben sollst. Bist Du Operateur, erste Assistenz oder zweite Assistenz (bei großen Operationen kann es auch eine dritte oder vierte Assistenz geben)?

Der Operateur wählt die Seite des Patienten auf der er stehen will. Je nachdem, was operiert werden soll, gibt es manchmal nur eine Seite, wo das Team stehen kann. Ich gehe jetzt mal von einer Operation im Abdomen aus (eine sogenannte "Bauch-OP"). Ist der Operateur Rechtshänder und wird eher im Oberbauch operiert, steht er in der Regel auf der rechten Seite (immer vom Patienten aus gesehen). Soll im Unterbauch bzw. Becken operiert werden, wird er wahrscheinlich auf der linken Seite stehen, da er so mit der rechten Hand diesen Ort besser erreichen kann.

Der erste Assistent steht dann für gewöhnlich gegenüber dem Operateur. Er ist besonders wichtig und wird daher auch häufig als "zweiter Operateur" bezeichnet. Er arbeitet direkt Hand in Hand mit dem "ersten Operateur".

Wahrscheinlich bist Du zunächst zweiter Assistent und darfst die berühmten "Haken" halten. Dann stehst Du gegenüber dem ersten Assistenten bzw. neben dem Operateur. Hier ist es zu empfehlen den Operateur zu fragen, ob Du "oben" oder "unten" (vom Patienten gesehen, also kopf- oder fußwärts) stehen sollst. Die Geschmäcker sind da häufig unterschiedlich. Im Grunde gilt aber: Wird "oben" operiert, stehst Du auch "oben" und umgekehrt. Wenn der Patient mit gespreizten Beinen gelagert wird, kann es sogar sein, dass Du zwischen den Beinen stehen sollst. Achte darauf, dass Du vor allem Deine Hände nicht "unsteril" machst, wenn Du an den Tisch trittst. Halte sie nach dem Anziehen von Kittel und Handschuhen am besten auf Deiner Brust und lege Sie am Tisch auf die sterile Abdeckung vor Deiner Position.

Wenn alle ihren Platz gefunden haben, kann die OP dann auch endlich anfangen. Nun wirst Du sehen, warum es so wichtig ist, dass alle die Operation kennen. Denn die Schwester wird, ohne gefragt zu werden, dem Operateur das Skalpell in die Hand legen und dieser den ersten Schnitt machen. Schon folgen die Haken, die beide Operateure einsetzen, wobei Du dann einen oder beide Haken mit leichter Spannung so halten sollst, wie sie Dir in die Hand gelegt werden. Wahrscheinlich könnte man die Wundränder auch mit den Händen auseinander halten, doch mit den Haken ist es zum einen für Dich sicherer, da Du so aus der Gefahrenzone mit Messern und Nadeln kommst und zum anderen gelten die Hände immer noch als potentiell kontaminiert, da die Handschuhe auch nur eine gewisse Zeit "keimdicht" halten. Gerade bei Knochen-Operationen wird es nicht gerne gesehen, wenn der Assistent mit seinen "Schmutzfingern" in die Wunde greift. Dafür sind die Instrumente, wie Haken oder Pinzetten da.

Beim Haken halten sollte man immer eine gewisse Spannung des Gewebes erzeugen, ohne es zu zerreißen. Das Gefühl ist auch hier sehr wichtig. Einige Haken, die eher wie Schaufeln aussehen, sollte man außerdem so halten, dass man die Spitze etwas "einhaken" kann. Der Operateur sagt dann vermutlich: "Spitze betonen", wenn der Druck nicht ausreicht, denn diese Haken sollen häufig in der Tiefe des Bauches für den nötigen Platz sorgen.

Vielleicht bekommst Du auch mal die Schere in die Hand und sollst dann Fäden abschneiden. Hier solltest Du den Faden mit der geöffneten Branche (der Schneide der Schere) zunächst etwas anheben bzw. zur Seite drücken, damit Du dann hier gezielt abschneiden kannst. Schneide immer mit der Spitze der Schere, denn wenn Du weiter unten ansetzt, kann es Dir beim Schließen der Schere passieren, mit der Spitze in anderes Gewebe zu schneiden, ohne dass Du es wolltest. Wenn der Operateur geknotet hat und Dir zwei Fäden parallel hin hält, dann sollst Du auch beide Fäden durchtrennen. Wenn er jedoch die Fäden v-förmig auseinander hält, dann sollst Du nur einen Faden zerschneiden. Meistens soll dies der Faden ohne Nadel sein, damit er nun fortlaufend weiter nähen kann.

Beim Nähen kannst Du dem Operateur ebenfalls helfen, indem Du den Faden "führst". Das heißt, Du hältst ihm den Fadenteil, den er nicht benötigt aus dem OP-Gebiet bzw. unter Spannung bei einer fortlaufenden Naht. Außerdem solltest Du Dir das Fadenende schnappen (ohne in das Sichtfeld des Operateurs zu geraten), um es ihm dann hin zu halten, damit er ihn nach der Naht knoten kann. Außerdem sicherst Du das Ende, so dass es nicht versehentlich komplett durch das Gewebe gezogen werden kann und heraus rutscht.

Auch das Absaugen des überschüssigen Blutes mit dem Sauger durch den Assistenten will gelernt sein und hat auch viel mit den persönlichen Vorlieben des Operateurs zu tun. Einige wollen das OP-Gebiet ständig frei von dem kleinsten Erythrozten haben und andere fühlen sich eher durch ein Zuviel an Saugerei gestört. So ein Ding kann nämlich auch ganz schön laut werden und klingt dann so als würdest Du den letzten Rest Deiner Cola aus der Flasche saugen. Das Beste ist immer, Du operierst im Geiste mit. Dann entwickelst Du automatisch ein Gefühl dafür, wann Du saugen musst. Spätestens dann jedenfalls, wenn Du vor lauter Blut auch selbst die Strukturen nicht mehr erkennen kannst. Wie mit vielen anderen Handgriffen im OP lernt man das vor allem durch zugucken und nachahmen. Dann erahnt man schließlich automatisch, wann Deine Hilfe gefordert wird. Diese Fähigkeit, gewisse Handgriffe vorweg zu nehmen, bevor der Operateur nach Ihnen verlangt nennt man übrigens Antizipation und ist die Voraussetzung für dieses wortlose Verständnis, dass ich anfangs beschrieben hatte.

Unstimmigkeiten...

Das haben auch die Schwestern und Pfleger im OP drauf und geben dem Operateur, wenn sie gut sind, immer genau das Instrument in die Hand, das er gerade braucht. Das kann allerdings auch mal andere Züge annehmen. Bei meinen ersten Operationen hatte ich immer eine sehr erfahrene OP-Schwester zur Seite, die mir immer die richtigen Instrumente gab. Das machte mir das operieren sehr einfach, bis ich mal von ihrem traditionellen Weg abwich und nach anderen Instrumenten verlangte. "Was willst Du denn damit?", fragte Sie mich dann immer. Und wenn ich Ihr es nicht zufriedenstellend erklären konnte, bekam ich es entweder gar nicht oder erst nach langer Diskussion. Wie ein altes Ehepaar haben wir uns dann teilweise gestritten. Doch ich habe dabei eine Menge gelernt.

Viel Spaß beim Assistieren und selber Operieren wünscht

Dein Dr. Felix Findig


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