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Wer heilt hat recht!

Hast Du alle IMPP-Fragen auswendig gelernt oder gehörst Du zu den Kollegen, die die Funktionen des menschlichen Körpers verstehen wollten und danach dann die Prüfungsfragen beantworteten? Dann hast Du die Grundlagen zu großen Heilerfolgen geschaffen.

Nicht oft aber manchmal kommt es nämlich vor, dass Du auf einen Umstand triffst, für den noch keine Patentlösung gefunden wurde, die Du auswendig lernen konntest und zur Heilung einsetzen kannst. Dann sind kreative Lösungen gefragt.

Öfter mal lächeln...
Auch ein Lächeln kann heilende Wirkung haben! Probiere es mal aus!

Bitte verstehe mich jetzt aber nicht falsch. Du sollst keine Experimente mit Deinen Patienten machen, sondern einfach Dein Wissen verantwortungsvoll einsetzen, wenn es keine bekannte Lösung gibt.


Luxation des Lächelns

Ich hatte mal eine 80 jährige Patientin, die wir wegen eines Schenkelhalsbruches operiert hatten. Sie war in Ihrem Pflegeheim gestürzt. Nach der Operation riefen mich plötzlich die Schwestern, weil Sie auf einmal Ihren Mund nicht mehr schließen konnte. Tatsächlich lag Sie mit weit aufgerissenem Mund in Ihrem Bett und die Zimmergenossinen sagten mir, dass sie sich gerade unterhalten hätten und die Patientin lachen musste. Dann sei der Mund einfach offen stehen geblieben.

Sowas hatte ich auch noch nicht erlebt. Die Patientin konnte sonst alles bewegen, nur Reden war so natürlich nicht möglich. Ich stellte fest, dass der Unterkiefer aus dem Kiefergelenk nach vorne gesprungen war und sich vor der Gelenkpfanne auf beiden Seiten verkeilt hatte. Dadurch stand der Mund weit offen. Mir hatte zwar noch nie jemand gezeigt, wie man so eine Luxation reponiert, doch irgendwie musste ja der Gelenkkopf auf beiden Seiten wieder in die Pfanne.

Also habe ich meine Daumen in die Unterkieferwinkel gesetzt und den Unterkiefer nach caudal und dorsal geschoben, bis dieser nach hinten rutschte. Danach war alles in Ordnung und die Patientin konnte wieder lächeln.

Also geheilt! Dachte ich!

Am nächsten Tag wurde ich wieder gerufen. Das selbe Bild. Doch diesmal wusste ich ja sofort was zu tun war. Auch dieses Ergebnis wurde mit einem Lächeln der alten Dame belohnt. Jetzt bekam die Patientin aber erstmal ein Lachverbot und ich entschloss mich, die Patientin bei einem Kieferorthopäden vorzustellen. Der Termin war zwei Tage später und in der Zwischenzeit kam es noch dreimal zu einer Luxation. Natürlich hatte ich meinen Kollegen von der Geschichte und vor allem von der Therapie erzählt und so musste auch nicht immer ich die Reposition durchführen.

Jetzt kam der Tag des Konsils und wir waren schon sehr gespannt. Alles was mir der Kieferorthopäde dann aber sagte war: „Da kann man nichts mehr machen.“

Das konnte ich nicht glauben, diskutierte mit dem Kollegen und schlug mehrere Therapieverfahren vor, die er allesamt als „unmöglich“ abtat. Doch ein Chirurg lässt sich davon natürlich nicht beruhigen. Für mich erschien es logisch, dass der Unterkiefer bei seiner Öffnung nur kontinuierlich nach hinten geschoben werden musste, damit es nicht zu einer erneuten Luxation nach vorne kommt. Also wand ich mich an unseren Orthopädietechniker und erklärte ihm, dass ich mir eine Art Halterung vorstellte, die mit Hilfe einer Kappe am Kinn und einer Haube am Hinterkopf den Unterkiefer nach hinten zieht. Kurzum modifizierte er einen Zahnspangengurt nach diesen Maßgaben um und wir erhielten genau so eine Halterung, wie ich sie beschrieben hatte. Und das beste daran: Es funktionierte!

Zwar gibt es zugegebenermaßen deutlich modischere Kopfbedeckungen, doch endlich konnte die Patientin wieder unbeschwert Lachen und Essen. Ein paar Tage später konnten wir sie nicht nur mit einer funktionierenden Hüfte, sondern auch mit einem breiten Lächeln in die Reha entlassen.

Jetzt hoffe ich darauf, dass ich bald von neuen Therapien erfahre, die eine junge Kollegin oder ein junger Kollege entwickelt hat.

Viele gute Ideen wünscht Dir

Dein Dr. Felix Findig


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