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Blutwerte für Einsteiger

„Wie gut, dass es die Chemie gibt! Für alles gibt es einen Test und endlich hat man klare Werte schwarz auf weiß, auf die man sich als Arzt verlassen kann!“ Genau das habe ich gedacht, als ich am Anfang meiner Ausbildung stand. Und dann gab es da diese tollen „Plus-“ und „Minus-Zeichen“ neben allen Werten, die nicht „normal“ waren. Ich freute mich, dass ich jetzt nicht einmal die Normwerte auswendig lernen musste, da ja alles, was „krank“ war, sofort ins Auge fiel! Entsprechend groß war dann natürlich der Schreck, als ich meine eigenen Werte von der Einstellungsuntersuchung sah. Glucose war stark erhöht und der Hb-Wert auch zu niedrig. Hatte ich jetzt Diabetes und Anämie? Ein erfahrener Kollege beruhigte mich dann und erklärte mir, dass man diese Werte alle niemals aus dem Zusammenhang sehen durfte. Was war nämlich passiert? Kurz vor der Blutentnahme hatte ich etwas gegessen, weshalb der Glucosewert so hoch war und der Hb-Wert war nur minimal erniedrigt, was immer noch im Rahmen normaler Schwankungen war. Damals gab mir der Kollege zwei Tipps!

Sorgen
Und täglich will das Labor „versorgt“ werden!

1. Die Klinik ist wichtiger als der Blutwert!

.. die Zahl der Leukozyten

Wenn Du Werte findest, die von den Normwerten abweichen, wie zum Beispiel die Zahl der Leukozyten oder der CRP-Wert, dann musst Du immer schauen, ob es tatsächliche Symptome gibt, die auf eine Krankheit hinweisen. Die „Leukos“ und das CRP sind ja Hinweise auf eine „Entzündung“ im Körper. Das ist aber sehr unspezifisch. Vom gewöhnlichen Schnupfen bis zur Appendizitis ist alles möglich. Und dann gibt es auch noch die sogenannte „Stressleukozytose“, die man nach starker körperlicher Beanspruchung haben kann.

Noch ein Hinweis zum CRP. Hier hängt der Normbereich bzw. der Wert von der Maßeinheit ab, die Dein Labor verwendet. Einige verwenden die Milligramm pro Liter, dann ist der Normbereich zwischen 10 und 50 mg/l. Verwendet Dein Labor aber Milligramm pro Deziliter dann sind Werte bis 5 mg/dl normwertig. Denke daran, wenn Du Patienten aus einem anderen Krankenhaus übernimmst und die fremden Laborbefunde studierst.

Doch immer dann, wenn es eigentlich darauf ankommt, dann kann man wieder nicht viel auf die „Entzündungswerte“ geben. Ich habe schon Patienten mit einer richtig starken phlegmonösen Appendizitis gehabt, die keinerlei Erhöhungen von Leukos und CRP hatten und genau so Menschen mit stark erhöhten Werten, die einen völlig unauffälligen Wurmfortsatz hatten.

Einer meiner ersten Chefärzte hat immer gesagt: „Wir behandeln hier Patienten und keine Laborwerte!“
Ich finde, das trifft es auf den Punkt und das kann man dann auch den Patienten so erklären, wenn ein paar Werte nicht normwertig sind.

2. Wer viel misst, misst viel Mist!

Blutwerte zu untersuchen ist teilweise ein teures Vergnügen und bringt außerdem nur unnötige Verwirrung, wenn man ungezielt alles untersuchen lässt. In vielen Kliniken gibt es „Standard-Untersuchungen“ wie zum Beispiel das typische „Aufnahmelabor“. Das sind dann die Blutwerte, die bei jedem Patienten untersucht werden, der stationär aufgenommen wird. Oder es gibt bestimmte Gruppen von Werten, die bei dem Verdacht auf spezielle Erkrankungen immer erhoben werden. Beispielsweise eine typische Kombination an sogenannten „Herzenzymen“ beim Verdacht auf Herzinfarkt. Oder die typischen „Leberwerte“.

Informiere Dich also über die „Standards“ in Deiner Klinik und ordne die Untersuchungen an, die Dich wirklich interessieren. Früher oder später hast Du dann schließlich Werte ermittelt, die Dich zum einen gar nicht interessieren, aber Teil dieser Standarduntersuchungen sind und zum anderen überhaupt nichts mit der Krankheit des Patienten zu tun haben.
Jetzt musst Du die Entscheidung treffen: ignorieren oder behandeln? Hier solltest Du einen erfahrenen Kollegen fragen, wenn Du die Werte nicht einordnen kannst. Ein wahlloses Behandeln dieser „Unschönheiten“ im Labor ist häufig nämlich gar nicht angezeigt, weshalb man dann auch von „Laborkosmetik“ spricht, die dem Patienten keinen Nutzen bringt und sogar schädlich sein kann.

Lass Dich nicht von den Zahlen blenden, dann kannst Du schon während Deines Studiums ein Gefühl dafür entwickeln, welche Werte überhaupt relevant sind.

Dein Dr. Felix Findig


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