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Die gute Untersuchung

In der Klinik heißt es manchmal, wenn man bei der Diagnose eines Patienten nicht weiterkommt: „Dann schreiten wir halt zum Äußersten und untersuchen den Patienten!“ Das ist jetzt natürlich nur überspitzt gemeint, denn selbstverständlich gehört die klinische Untersuchung neben der Anamnese an den Anfang einer jeden Diagnosefindung.
Trotz aller technischen Hilfsmittel ist beispielsweise die akute Appendizitis immer noch eine Verdachtsdiagnose, die anhand der Klinik gestellt wird und danach die Indikation zur OP entschieden wird. Einer meiner ehemaligen Chefärzte sagte immer: „Wir operieren hier Patienten und keine Laborwerte!“ Und meinte damit, dass man sich vor allem auf seine Untersuchungsergebnisse und auch auf sein „Gefühl“ dabei verlassen soll, das auch Du bald entwickeln wirst. Hierzu ist es wichtig, ein gutes Arzt-Patienten-Verhältnis aufzubauen!

Untersuchungsliege
Vielleicht nicht gerade einladend aber immer noch besser als auf dem Flur!

Untersuchung

Als ich noch Famulatur gemacht habe, da hatte ich einen Kollegen, der hatte sich immer gut auf alles vorbereitet und dicke Bücher gewälzt, um gut informiert zu sein. Dabei war ihm aus einem Untersuchungsbuch ein zentraler Satz im Hinterkopf geblieben: „Die Untersuchung findet immer an dem entkleideten Patienten statt!“ Nur irgendwie hatte er da etwas durcheinander gebracht und forderte nun am Beginn jeder Anamnese die Patienten auf sich komplett zu entkleiden und begann dann aber erst einmal damit, gründlich wie er war, die komplette Krankengeschichte zu erheben. Da konnte dann so ein Patient schon mal eine halbe Stunde nackt vor ihm sitzen, während er ihn ausfragte, bis er schließlich zu der eigentlichen Untersuchung schritt. Ein gutes Arzt-Patienten-Verhältnis baut man so jedenfalls nicht auf!

Wenn Du einen Patienten untersuchst (und befragst) musst Du darauf achten, dass Du seine Intimsphäre schützt. Optimal ist es, wenn Du dazu mit dem Patienten in ein leeres Untersuchungszimmer gehst.
Häufig ist das nicht möglich und dann solltest Du zumindest alle Leute, die laufen können (Besuch und andere Patienten) aus dem Zimmer schicken. Sollte ein Angehöriger dabei bleiben wollen, musst Du den Patienten fragen, ob es ihm recht ist.

Selbstverständlich muss sich der Patient zumindest teilweise entkleiden. Getreu dem Motto: „Keine Diagnose durch die Hose!“ musst Du die Möglichkeit haben, alle Körperstellen einzusehen. Hier kann es aber auch ausreichen, das Hemd oder die Hose nur für den eigentlichen Untersuchungszeitpunkt herunter bzw. herauf zu ziehen. Die Beine und der Rücken werden bei der körperlichen Untersuchung gerne vergessen.
Versuche in den entsprechenden Körperregionen gleich mehrere Untersuchungen zu machen. So kannst Du beim Auskultieren der Lunge vom Rücken aus gleichzeitig nach Druckstellen der Haut in diesem Bereich gucken oder die Krümmung der Wirbelsäule beurteilen. Testest Du die Fußpulse, kannst Du dabei auch nach Krampfadern der Beine schauen. Dabei hat jeder so sein eigenes Schema, damit sich der Patient nicht ständig umlagern, aus- und anziehen musst. Viele fangen einfach am Kopf mit der Untersuchung an und arbeiten sich bis zu den Füßen durch.

Dazwischen liegt bekanntlich der Hintern. Und sowohl Ärzte als auch Patienten scheuen die Untersuchung dieser Region. Hier kann Dir das gute Arzt-Patienten-Verhältnis helfen, dass Du schon aufgebaut hast. Dann solltest dem Patienten erklären, dass die rektale Untersuchung aus diversen Gründen eine notwendige und sinnvolle Sache ist, um beispielsweise die Ursachen seiner Bauchschmerzen heraus zu finden.
Ich hatte schon viele Patienten, die mit dem Verdacht auf eine akute Appendizitis geschickt wurden und bei denen die Ursache für die Schmerzen eine banale Verstopfung war, die leicht durch die rektale Untersuchung diagnostiziert werden konnte. Danach bekamen die Patienten ein Klistier von der Schwester und nach dem Abführen waren die Beschwerden wieder verschwunden. Außerdem lassen sich Karzinome des Rektums mit der rektalen Untersuchung feststellen, was häufig im Rahmen der Vorbereitung auf eine einfache Leistenbruch-Operation auffällt.

Eine Besonderheit ist es, wenn Du Frauen oder Kinder rektal untersuchen musst. Auch hier ist es eine wichtige Untersuchung, weshalb Du keine Scheu haben solltest. Erkläre einfühlsam ohne Angst zu machen, was Du machen willst und warum und hole Dir das Einverständnis ein.
Dabei empfiehlt es sich immer eine Schwester dabei zu haben, die einerseits den Patienten während der Untersuchung beruhigen kann und Dir andererseits als Zeuge dient, dass Du das Einverständnis hattest und die Untersuchung regelrecht durchgeführt hast. So musst Du keine Angst vor späteren Vorwürfen haben, dass Du das Kind oder die Frau „unsittlich“ berührt hättest.

Dein Dr. Felix Findig


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