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Der Mitternachts-GOMER

Und noch so ein Insider-Begriff...
Wenn Du das Buch „House of God“ gelesen hast, dann kennst Du bestimmt die Abkürzung GOMER. Gomer ist ein Akronym und steht für den Satz „Get Out of My Emergency Room“. Mittlerweilse hat es sich als Bezeichnung für einen Patienten eingeschlichen, den man nicht gerne in seiner Notaufnahme hat. Häufig kommen diese Patienten dann auch noch mitten in der Nacht. Es ist eigentlich keine nette Bezeichnung und ich will hier auch klarstellen, dass ich es nicht gut finde, so von Patienten zu sprechen.

Willkommen
"Und wenn Du auch um 3:00 Uhr nachts Deine Patienten noch mit einem Lächeln begrüßt,
dann kannst Du Dich auch bald wieder hinlegen!"

Andererseits kann ich aber auch die Verärgerung meiner Kollegen verstehen, wenn Sie zu einer Zeit, in der man sich als Mensch eigentlich zum Schlafen hinlegt mit derartigen Problemen konfrontiert werden. Ich will Dir hier mal zeigen, wie ich mit solchen Situationen umgehe, damit man sich dann schnell wieder hinlegen kann.

Egal wen Du fragst, jeder kann Dir seine Erfahrungen mit ihrer Meinung nach „unverschämten“ Patienten erzählen. Und das mit vielen Emotionen. Hier ein paar Beispiele, die mir erzählt wurden:
... Diese Nacht wurde ich um 3:00 Uhr geweckt, weil ein Patient kam, der schon seit drei Wochen so ein komisches Gefühl im Bauch habe. Doch jetzt hat er Angst bekommen und möchte wissen, was dahinter steckt. Auf die Frage, ob er schon bei seinem Hausarzt gewesen sei, antwortet er: „Schon dreimal und dann hat er mich zur Darmspiegelung geschickt, aber da ist auch nichts herausgekommen!“ Wie soll ich denn jetzt mitten in der Nacht etwas herausfinden, was auch der Hausarzt in drei Wochen nicht herausgefunden hat?...

... Und dann kam die Mutter mit ihrem 13-jährigen Sohn um 5:00 Uhr morgens, weil er sich am Nachmittag zuvor den Knöchel umgeknickt hatte. Jetzt sei der Knöchel immer noch geschwollen. Warum sind die denn nicht direkt nach dem Unfall gekommen oder zumindest am frühen Abend?...
... Das Beste, was mir mal passiert ist, das war ein betrunkener Patient, der nach einer Party um 2:00 Uhr morgens am Krankenhaus vorbei kam und sich dann dachte, er könne ja mal nachfragen, was man gegen das Jucken zwischen den Zehen tun kann, das er gelegentlich hat...

Das klingt ja wirklich unverschämt, oder? Auch ich kann nicht anders und ein paar böse Gedanken schwirren dann durch meinen Kopf. Ich habe schon Kollegen erlebt, die diese Patienten dann regelrecht angeschrien haben, was sie sich denn dabei gedacht haben. Die Antwort ist einfach: Nichts! Und dafür lohnt es wirklich nicht, sich aufzuregen.

Aber schauen wir einmal, wozu es führt, wenn man seine Patienten anbrüllt, auch wenn es dafür gute Gründe gibt. Man findet sich in einer langen Diskussion über die angeblichen Schmerzen und den Appell an die ärztliche Hilfsbereitschaft, die Bürokratie oder andere Umstände wieder.
Man regt sich mehr und mehr auf, braucht dreimal so lange, um die Diagnose zu finden, den Patienten zu behandeln und schließlich liegt man viel später als notwendig wieder in seinem Bett und kann nicht mehr einschlafen, weil man immer noch auf 180 ist. Und wenn Du an den Falschen geraten bist, dann kannst Du Dir am nächsten Tag vielleicht sogar noch eine Beschwerde vom Chefarzt oder vom ärztlichen Direktor anhören...

Ich kann nur maximale Gelassenheit empfehlen! Denn Du hast es hier mit Laien zu tun, die zum einen weder die Signale ihres Körpers richtig einschätzen können und sich zum anderen dann auch noch viele Gedanken machen und Angst bekommen. Und dann gibt es noch viele Patienten, die glauben, Du wärst sowieso die ganze Nacht wach und daher wäre es auch nicht schlimm, Dich im Krankenhaus aufzusuchen. Zudem hast Du es zumeist mit erwachsenen Menschen zu tun, die Du jetzt auch nicht mehr erziehen kannst.

Was kann ich Dir also empfehlen? Erledige einfach zügig Deine Arbeit, zeige Verständnis und denke Dir Deinen Teil. Wenn es Dir ein Bedürfnis ist, kannst Du dem Patienten beim Herausgehen ja noch den Rat mit auf den Weg geben: „Und beim nächsten Mal kommen Sie früher und nicht zu solch einer unchristlichen Tageszeit oder gehen früh genug zu Ihrem Hausarzt! Gute Nacht!“
Dann bist Du der Gewinner, weil Du das letzte Wort hattest und kannst Dich wieder ganz entspannt hinlegen und weiter träumen...

Eine gute Nacht wünscht Dir

Dein Dr. Felix Findig


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