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Dr. Findigs erster Tag als Assistenzarzt
Alles halb so schlimm!

Ach ja, mein erster Tag auf der Station 1a im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern vom grünen Ölbaum. Ich kann mich noch erinnern, als ob es gestern gewesen wäre. Es war früh am Morgen und mit sicherem Schritt überquerte ich den Parkplatz. Da erinnerte ich mich an meine 13 Semester Humanmedizin, die unzähligen Famulaturen in so ziemlich jedem Fachbereich, das praktische Jahr und die nicht enden wollenden Tage in der Bibliothek. So vorbereitet wusste ich eines ganz genau:


ICH HABE KEINE AHNUNG!!!

Machen wir uns nichts vor! Studium ist das Eine und die Klinik ist das Andere! Aber auch ich habe es überlebt und bin Facharzt geworden. Damals habe ich mir meine Kollegen angeschaut und gedacht: Wenn die das schaffen, dann schaffe ich das schon lange. Und das gilt auch für Dich! Den Respekt vor den Gefahren der Medizin und den Folgen für die Patienten sollte man selbstverständlich nicht aus dem Auge verlieren. Aber wenn ich eines in den letzten Jahren gelernt habe, dann diese zwei Dinge: „Es ist meistens alles halb so schlimm!“ und „Der Patient verträgt eine ganze Menge Arzt!“ Das ist jetzt hier kein Aufruf zu Experimenten oder Selbstüberschätzung - aber wenn Du die Regeln der ärztlichen Kunst beachtest, dann brauchst Du auch keine Angst vor Deinem therapeutischen Handeln zu haben. Nichtstun kann nämlich auch schlimm enden...

aus der klinik

Da muss ich Dir mal eine Geschichte von einer Famulantin erzählen, die mich mit ihrer Einstellung wirklich beeindruckt hat. Wir nennen Sie einfach mal Karin (Namen konnte ich mir noch nie merken). An ihrem ersten Tag hatte ich ihr das Abnehmen von Blut gezeigt und ihr erklärt, dass es nun zu ihren Aufgaben gehöre, jeden Morgen auf der Station die vorbereiteten Blutentnahmen zu erledigen. Übung mache ja bekanntlich den Meister! Ich bin mir sicher, dass ich auch gesagt habe, sie müsse nur Bescheid sagen, wenn sie bei einem Patienten mal kein Blut heraus bekomme. An den nächsten Tagen waren die Blutentnahmen immer pünktlich erledigt und ich dachte schon Sie wäre ein Naturtalent. Da fielen mir ein paar umfangreich verbundene Arme auf. Und die betroffenen Patienten erklärten mir, dass die neue Kollegin sich so viel Mühe gegeben hatte und daher bis zu zehnmal zugestochen habe, bis endlich die Röhrchen gefüllt waren. Es sei ja auch nicht einfach gewesen, fügten sie noch verständnisvoll hinzu. Als ich Karin dann fragte, warum sie mich nicht um Hilfe gebeten hatte, entgegnete sie mir mit fester Überzeugung:

„Wenn ich es nicht schaffe, wer soll es denn dann bitteschön schaffen?“

Was konnte ich da noch sagen? Ein bisschen von diesem Selbstbewusstsein kann jeder Arzt gebrauchen...

Aber ich erklärte Ihr auch, dass wir nicht in der Dritten Welt seien, und es durchaus noch andere Ärzte in dieser Klinik gebe, die sie immer um Rat bitten dürfe, insbesondere bei etwas gefährlicheren Eingriffen...

Was bleibt also als Fazit: Nur Mut! Auch Du schaffst das!

Dein Dr. Felix Findig


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